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Magendasseln: Im Dezember ist's zu spät!

Wenn Magendasseln einen Namen hätten, so hießen sie wahrscheinlich alle Nikolaus.

In vielen Ställen gilt der 6. Dezember als Stichtag für die Gabe der Wurmkur gegen Magendasseln. Doch dieser Termin ist meistens zu spät, denn die Dasselfliege richtet sich nicht nach dem Kalender, sondern sie folgt einem Entwicklungszyklus, bei welchem die Witterungsbedingungen eine große Rolle spielen.

Die Dasselfliege

Die Dasselfliege (Gasterophilus) sieht ein wenig danach aus, als sei sie eine Mischung zwischen einer Hummel und einer großen Fliege. Charakteristisch sind  ihre Legeröhre, mit deren Hilfe sie ihre Eier im Fell des Pferdes ablegt und festklebt, sowie ihr lautes Brummen, welches durchaus dazu geeignet ist, auch das ruhigste Pferd in die Flucht zu schlagen.

Die Dasselfliege legt ihre kleinen, gelben Eier bevorzugt an den Vorderbeinen des Pferdes, an dessen Schulter sowie in der Mähne ab. Ein Dasselfliegenweibchen kann bis zu 2.500 Eier hervorbringen.

Wenn das Pferd die Eier ableckt, schlüpfen die Larven und werden vom Pferd geschluckt. Zwischen der Eiablage und dem Schlüpfen der Larven vergehen in der Regel sieben bis vierzehn Tage.

Nun wandern die Larven über Maul, Zunge und Speiseröhre innerhalb von drei bis vier Wochen in den Magen des Pferdes, wobei sie unterschiedliche Entwicklungsstadien durchlaufen. Im Magen angelangt, setzen sie sich an der Magenschleimhaut fest und saugen Blut, wodurch die Schleimhaut natürlich Schaden nimmt.

Zwischen der Ablage der Eier und der Ankunft der Larven im Pferdemagen vergehen also vier bis sechs Wochen Zeit.

Die Larven verbleiben sehr lange im Pferdemagen, denn erst nach ca. zehn bis zwölf Monaten scheidet das Pferd die Blutsauger über den Kot wieder aus. Im Kot sind die Larven gut zu erkennen, denn sie haben ungefähr die Größe eines Engerlings und weisen eine rötliche Farbe auf, da sie mit Blut vollgesogen sind. Wenn die Larven den Pferdekörper verlassen haben und wieder auf der Erde angekommen sind, graben sie sich ein und verpuppen sich.

Aus den verpuppten Larven schlüpfen nach ca. drei bis fünf Wochen wieder junge Dasselfliegen, und der Kreislauf beginnt von neuem.

Eine sehr anschauliche Beschreibung des Unwesens, welches die Larven im Magen des Pferdes treiben, findet sich in Brehms Tierleben, einem Klassiker der Zoologie:

Im Magen haken sich die Larven fest, einzelne auch im Schlunde, und man findet sie in von ihnen gebildeten Gruben oder Zellen, besonders bei Weidepferden nicht selten in förmlichen Nestern von funfzig bis hundert Stück beisammen, größere und kleinere. Sie saugen an der Schleimhaut wie Blutegel, erzeugen Grübchen und nach und nach größere Höhlungen […]. Haben sie durchschnittlich etwa zehn Monate hindurch ihr Unwesen im Magen getrieben, so verlassen sie das gequälte Thier […] mit dessen Auswürfen. (Brehms Thierleben, S. 471f.)

Symptome des Befalls

Da die Larven der Dasselfliegen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien am und im Pferd auftreten, kann ein betroffenes Pferd auch unterschiedliche Symptome zeigen:

Im ersten Stadium befinden sich die Larven noch auf dem Fell des Pferdes. Die gelben Eier sind deutlich sichtbar und wohl fast jedem bekannt, der seinem Pferd Weidegang gönnt. Auf der Haut des Pferdes können die Eier bzw. Larven der Dasselfliege zu ekzematischen Reaktionen sowie Scheuerstellen führen, da das Pferd sich häufig leckt oder gar beißt.

Wenn die Larven den Maulbereich des Pferdes erreicht haben, kann dessen Zunge geschwollen sein; überdies können Kau- und Schluckbeschwerden auftreten. Ursache dieser Symptome sind Entzündungen der Maulschleimhaut, der Zunge, des Zahnfleisches oder des Schlundes.

Im Pferdemagen angelangt, schädigen die Larven die Magenschleimhaut, die sich entzünden kann. Überdies kann es zu Abmagerung, Durchfall und Krampfkoliken kommen.

Eier entfernen?

Da die Dasselfliege bzw. ihre Larven das Pferd massiv schädigen können, wäre es natürlich schön, wenn man deren Eier schon effektiv vom Pferd entfernen könnte, bevor die Larven schlüpfen.

Doch leider sind die Eier der Dasselfliege ausgesprochen hartnäckig. In der Literatur finden sich einige Tipps zur Entfernung der Eier, die vom schlichten Abbürsten bis zu Waschungen mit Wasser und Apfelessig oder mit Lysol und Weinessig reichen. In der Praxis haben sich all diese Tipps indes nicht bewährt: Die Eier bleiben haften.

Dr. Helmut Endes Stallapotheke, ein moderner Klassiker, liefert eine realistische Einschätzung des Versuchs, den Dasselfliegeneiern mit Waschungen zu Leibe zu rücken:

Allerdings sollte man sich davon nicht zu viel versprechen, weil man mit bloßem Auge nicht erkennen kann, ob es sich um eine bereits leere Eihülle handelt. (Dr. Endes Stallapotheke, S. 250f.)

Nützliche Wirkstoffe

Da der Dasselfliege mit manuellen Behandlungsmethoden wie Bürstungen oder Waschungen schwer beizukommen ist, erscheint eine geeignete Wurmkur als Mittel der Wahl.

Die Wurmkur muss die Wirkstoffe Ivermectin oder Moxidectin enthalten – andere Wirkstoffe nützen im Falle der Magendasseln gar nichts!

Wann entwurmen?

Um einen möglichst guten Zeitpunkt für die Bekämpfung ihrer Larven zu finden, ist es erforderlich, die Lebensgewohnheiten der Dasselfliege zu kennen. Die Dasselfliege liebt die Wärme. Sie ist in den Sommermonaten und vereinzelt noch während der letzten warmen Herbsttage unterwegs, um ihre Eier auf den Pferden abzulegen.

Wenn man den Entwicklungszyklus der Dasselfliege betrachtet, stellt man fest, dass der traditionelle Entwurmungstermin am 6. Dezember ihren Larven sehr viel Zeit gibt, sich an der Magenschleimhaut der Pferde gütlich zu tun:

Im August ist das Wettter hierzulande erfahrungsgemäß am sommerlichsten. Das schätzt auch die Dasselfliege, und sie ist dann fleißig bemüht, ihre Eier an das Pferd zu bringen. Die aus diesen Eiern entstehenden Larven sind Ende September/Anfang Oktober bereits im Magen des Pferdes angekommen und beginnen damit, sich dort häuslich einzurichten.

Ab Ende September/Anfang Oktober wird es hierzulande zumindest über Nacht doch recht kühl und damit ungemütlich für die Dasselfliege. Trotzdem kann dieses oder jenes durchhaltefähige Exemplar seine Eier noch auf einem Pferd platzieren. Vier bis sechs Wochen später – also zwischen Ende Oktober und Mitte November – erreichen die aus diesen Eiern geschlüpften Larven den Pferdemagen, wo sich neben ihren schon vorhandenen Geschwistern einnisten.

Das böse Erwachen – also die Wurmkur – trifft die Magendasseln traditionell aber erst am 6. Dezember. So hatten auch die Nachzügler unter ihnen allermindestens drei Wochen Zeit, sich im Magen des Pferdes wohl zu fühlen. Schön für die Magendasseln, unschön für das Pferd!

Eine Wurmkur gegen die Magendassel sollte sinnvollerweise also schon Mitte November gegeben werden, um den Dassellarven ein frühzeitiges Ende zu bereiten.

Strategisch oder selektiv?

Unter Wissenschaftlern, Tierärzten und Pferdehalten werden zwei unterschiedliche Verfahren der Entwurmung von Pferden diskutiert: Die herkömmliche Methode ist die strategische Entwurmung, bei welcher alle Pferde eines Bestandes turnusmäßig vier Mal im Jahr mit Wurmkuren behandelt werden. Als alternative Methode ist die selektive Entwurmung im Gespräch, bei welcher nur die Pferde eines Bestandes behandelt werden, die tatsächlich einen deutlichen Wurmbefall aufweisen.

Die selektive Entwurmung ist vor allem gegen den Befall mit Großen Strongyliden (Palisadenwürmern) wirksam, zu denen die Magendasseln nicht gehören. Im Hinblick auf die Magendasseln ist also die strategische Entwurmung Mitte November empfehlenswert.

Weitere Informationen über die strategische und die selektive Entwurmung finden sich z. B. im Blog von Dr. Anne Becher.

© Kirsten Erwentraut

 


Quellen & Lektüretipps

 

Bellinghausen, Wilfried: Pferdekrankheiten. Hrsg. v. Hellmut Woernle. 2., überarb. u. erg. Aufl. Ulmer 1996, S. 41

 

Brehm, Alfred Edmund: Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs. 9. Bd., 4. Abt.: Wirbellose Thiere. 1. Bd.: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Verlag des Bibliographischen Instituts 1884, S. 471f.

 

Dülffer-Schneitzer, Beatrice: Pferde Gesundheitsbuch. 2., aktualis. Aufl. FN-Verlag 2006, S. 250f.

 

Ende, Helmut: Doktor Endes Stallapotheke. Der Klassiker. Spezialausg., 1. Aufl. Müller-Rüschlikon 2006, S. 250-252

 

Pferde richtg entwurmen. Ratgeber zur erfolgreichen Parasitenbekämpfung. Sonderdruck, 2. Ausg., o. V., o. J., S. 5, S. 9