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Ostfriesen, Alt-Oldenburger - oder Friesen?

Eine historische Begriffsverwirrung in der Pferdezucht

In Ostfriesland und Oldenburg kann die Pferdezucht auf eine lange Tradition zurückblicken. In beiden Gebieten gab es schon immer Pferdenarren, Pferdeleute und Pferdekenner.

So erzählt die ostfriesische Geschichte beispielsweise über den Ritter Sibeth von Esens und Dornum, dass er „ein besonderer Liebhaber von Pferden“ gewesen sein muss. Ritter Sibeth starb im Dezember 1473. Gleich an erster Stelle seines Testaments standen seine Pferde. Offenbar waren sie das Wichtigste in seinem nunmehr beendeten Leben und verdrängten seine Kinder auf den zweiten Platz:

Der Kirche zu Esens legatirte er sein graues Pferd mit seinem Harnische, dem Esener Kloster sein Pferd, Topke genannt, denen Klöstern zu Buermunken und Tüchermünken einige Füllen, seinen Trabanten Hermann und Engelman das beste Pferd, welches Hermann zu reiten pflegte, dem Stallknecht Konrad und Johann Barwisch die beyden Pferde, genannt Muncke und Trubbet, dem Aske den alten Gaul, den er reitet, [...] Ailke sein Reitpferd, und dem Meister Hicke sein braunes Pferd. Seinen Kindern [...] wieß er ihre mütterliche[n] Güter an. (Wiarda, Ostfriesische Geschichte, 2. Bd., 1792, S. 86f.)

Wolf Helmhardt von Hohberg: Pferde auf der Weide, Kupferstich, 1695
Wolf Helmhardt von Hohberg: Pferde auf der Weide, Kupferstich, 1695

Auch Müller und Schwarznecker kommen in ihrem 1879 erschienenen Standardwerk über Racen, Züchtung und Haltung des Pferdes auf die Zeiten des Ritters Sibeth zu sprechen, wobei sie eine „hippologische Ausnahmestellung“ Ostfrieslands konstatieren:

[S]chon im Mittelalter zeichnete es sich durch Production eines starken Ritterpferdes aus, das hochaufgerichtet im Halse, mit breiter Brust und mäßiger Tiefe besonders in der gespaltenen Kruppe und in der musculösen Hose seinen Glanzpunkt aufzuweisen hatte, den dicken, eingeklemmten Schwanz – als Zeichen besonderer Kraft – dabei nicht zu vergessen. (Müller/Schwarznecker, Pferdezucht, 2. Bd.: Racen, 1879, S. 92)

In Oldenburg führt Graf Anton Günther die historische Rangliste berühmter Pferdeliebhaber an. Der Graf, welcher Oldenburg von 1603 bis 1667 regierte, stand in dem Ruf, ein hervorragender Pferdekenner zu sein. So sparte auch der Hofgeschichtsschreiber Johann Just Winkelmann nicht an Lob für seinen Brötchengeber: Schon auf den ersten Blick, so Winkelmann, habe Anton Günther die „Natur“, das „Wissen/ Wollen und Können“ eines Pferdes erkannt,

und zwar jene aus des Pferdes Farbe/ Gemüth und Sinn/ dießes aber/ nemlich das Können/ aus der eusserlichen Beschaffenheit der Schenkeln/ des Leibs/ Halses und Kopfs. (Winkelmann, Oldenburgische Friedens- [...] Handlungen, 1671, S. 513)

Darüber hinaus habe Anton Günther eine sehr bemerkenswerte Gabe besessen:

ja welches wundermerklich ist/ so hat Er die NaturGeheimnisse der Pferden dermassen ergründet/ daß Er den Pferden/ […] allerhand Farben in Mutterleib geben können. (Winkelmann, Oldenburgische Friedens- [...] Handlungen, 1671, S. 513)

Großzügig verschenkte Anton Günther die Rösser aus seinen Ställen an andere Potentaten und Prominente. Durch diese „Rossdiplomatie“ sorgte er für gute Beziehungen zu Europas Herrschern, brachte sein Land relativ unbeschadet durch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges und machte die Pferde aus Oldenburg gleichsam ganz nebenbei überall bekannt und begehrt. Dies ließ er sich einiges kosten: Zwischen 1625 und 1664 verschenkte der Graf Pferde im Wert von rund 564.240 Reichstalern – eine horrende Summe.

Es ist mithin kein Wunder, dass seine besorgten Finanzverwalter ihrem Grafen antrugen, er solle

die Stutereyen/ und viele Stallknechte abschaffen oder einziehen/ [und] die Landereyen verheuren. (Winkelmann, Oldenburgische Friedens- [...] Handlungen, 1671, S. 516 u. S. 514)

Doch die Kämmerer blieben erfolglos – Pferdezucht war eben schon damals ein teures Vergnügen. Außerdem sollten sich die Investitionen des Oldenburger Grafen in kostbare Pferdegeschenke auszahlen. Heutzutage würde man ihm eine geschickte Marketingstrategie bescheinigen.

Ritter Sibeth und Graf Anton Günther lebten in Zeiten, in denen die Pferdezucht, so wichtig sie auch war, noch nicht im heutigen Sinne systematisch betrieben und dokumentiert worden ist. Klar definierte, festgeschriebene Zuchtziele gab es nicht. Aussagekräftige Pferderegister, Körordnungen, Stutbücher und dergleichen mehr etablierten sich erst im 18. und 19. Jahrhundert.

Die Heimat des "Friesländischen Pferdes"

Für die früheren Jahrhunderte ist man also auf andere Quellen angewiesen, wenn man der Geschichte der ostfriesischen und oldenburgischen Pferde auf die Spur kommen will. Bei dieser Spurensuche muss man sich stets darüber im Klaren sein, dass die heute üblichen Rassebezeichnungen im 16. und 17. Jahrhundert noch keine Gültigkeit besaßen. Damals teilte man die Pferde nach ihren Herkunftsregionen in unterschiedliche „Landes-Arten“ ein.

So ist in den einschlägigen Quellen des 16. und 17. Jahrhunderts oft vom „friesländischen“ oder „friesischen“ Pferd die Rede. Der Begriff Friesland bezeichnet dabei die gesamte Küstenregion des Nordseebeckens, welches den Namen mare frisicum – „Meer der Friesen“ – trug.

Nach Wiarda wurden die Grenzen Frieslands im 7. Jahrhundert wie folgt festgeschrieben:

Sie fingen von der Schelde an und erstreckten sich bis zu dem Fly, nun Südersee, und dann von dort weiter bis zu der Weser. Friesland jenseit der Südersee hieß Westfriesland, diesseit bis zu der Weser Ostfriesland. (Wiarda, Friesen und Friesland, in: Ersch/ Gruber, Allg. Encyklopädie, 1. Sec., 50. Teil, 1849, S. 189)

300 Jahre später änderte sich etwas an dieser Grenzziehung Frieslands:

Im Anfange des 10. Jahrh. trat Diedrich I. als Graf von Holland auf und verstammte diese Grafschaft, das vormalige Westfriesland, auf seine Nachkommen. Doch behauptete noch lange hin der nördliche Theil Hollands, welcher noch jetzt den Namen Westfriesland führt, seine Freiheit, mußte aber endlich […] dem Grafen von Holland unterliegen. Daher entstand eine neue Abtheilung, Erbfriesland und freies Friesland […]. In diesem freien Friesland hat sich noch bis jetzt der Name Friesland in der heutigen niederländischen Provinz Friesland und diesseit der Emse in dem heutigen Fürstenthume Ostfriesland erhalten. (Wiarda, Friesen und Friesland, in: Ersch/ Gruber, Allg. Encyklopädie, 1. Sec., 50. Teil, 1849, S. 190)

Darüber hinaus hat sich „der Name Friesland auch über die Weser und sogar über die Elbe bis zu der Eider ausgebreitet“. (Wiarda, ebd.)

Friesländische Pferde im 16. Jahrhundert

Marcus Fugger

Marcus Fugger ist einer der wichtigsten Gewährsmänner aus dem 16. Jahrhundert, wenn es um Pferde geht. Sein umfangreiches Werk über das Gestüt von gutten edlen Kriegßrossen erschien 1578. In der Vorrede zeichnet Fugger allerdings ein geradezu niederschmetterndes Bild der Pferdezucht seiner Zeit. Niemand sei mehr dazu bereit, Arbeit und Geld in die Zucht guter und standesgemäßer Pferde zu investieren. Fugger beklagt,

das man die Gestüt und Roßzucht überall hat lassen abgehn/ mänigklich den unkosten und arbeyt gescheücht/ also das jetzundt schier nyemandt mehr Rossz zeücht als die Bauren/ welliche weder das vermögen noch die gelegenheit haben/ kostliche edle Bescheller [= Beschäler] […] zukauffen oder zubekomen/ sonder brauchen gleich Bescheller so gut als sy gehaben mögen: Was volgt aber weytter darauß: das sy auch Bauren oder Wagen-Rossz ziehen/ nämlich den Beschellern gemeß/ so sy gebrauchen […] Es kompt nichts mehr herfür […]/ das man für ein Hauptroß halten möcht/ sonder allein Klepper/ unnd Wagen oder Gotzi Rossz. (Fugger, Gestüt von [...] Kriegsrossen, 1578, Vorrede)

Als Klepper wird ein Pferd bezeichnet, „welches nur zum Laufen gebraucht wird“, also „ein Reitpferd geringerer Art.“ (Adelung, Auszug aus dem grammatisch-kritischen Wörterbuche, 2. Teil, 1796, Sp. 1267f.) Das Wort Gotzi bedeutet „Kutsche“ (Grimm, Deutsches Wörterbuch, Nachdr. d. Erstausg., 8. Bd., 1984, Sp. 1470).

Besson, Jacques & Béroalde de Verville, François & Paschal, Julius: Kutsche, Kupferstich, 1582
Besson, Jacques & Béroalde de Verville, François & Paschal, Julius: Kutsche, Kupferstich, 1582

Ein „Gotzi-Rossz“ ist also ein Kutschpferd. Beide stehen in Fuggers Hierarchie der Pferderassen natürlich weit unter dem edlen Kriegsross, dessen Zucht im vorschwebt.

Angesichts des von ihm diagnostizierten Niedergangs der Pferdezucht schreibt Fugger sich regelrecht in Rage, denn weiter heißt es:

Was volgt aber auß disem allem: das wir gantz unnd gar von der gutten Reütterey kommen/ begibt sich jederman nur auff Klepper/ un auff die faulheit der Gotzi […]. Mich will aber geduncken/ das wir mehr als zu[v]il ursach haben/ der gutten Kriegßroß zum höchsten zuachten/ denselben mit allem fleyß und ernst nachzustellen/ unnd uns billicher auff dieselben zubegeben/ als auff die Gotzi. (Fugger, Gestüt von [...] Kriegsrossen, 1578, Vorrede)

Nach Fuggers Meinung sind auch drastische Maßnahmen angebracht, um den überhand nehmenden Bestand der „Gotzi“ zu dezimieren und den Verfall des Kriegshandwerks aufzuhalten. Es ist, so schreibt er,

auch wol ursach genug verhanden/ das man dieselben gar ab schiesse/ […] damit man nicht so gar von dem Kriegßwesen unnd der Reütterey komme/ dann so man einmal recht da[v]on kompt/ so kan man so bald nit wider darzu komen/ […] man kompt umb die Rossz/ unnd das Volck kompt auß der übung oder gewonheit des reyttens. (Fugger, Gestüt von [...] Kriegsrossen, 1578, Vorrede)

Ein Kapitel seines Werks widmet Fugger den unterschiedlichen Pferderassen oder, wie er passender sagt, „den Rossen so nach eines yeden Landts art fallen.“ (Fugger, Gestüt von [...] Kriegsrossen, 1578, Kap. „Landts art“, S. 32 verso)

In diesem Teil seiner Schrift listet er auch die Pferde auf, welche ihm unter dem Namen „niderländische Rossz“ bekannt sind:

deren seind nemlichen die nach folgenden/ Friesen/ Hollender/ Flemming/ Westphalen/ Gelderische/ un mögen auch wol in dise zal die Bergische pferdt eingeschlossen werden“. (Fugger, Gestüt von [...] Kriegsrossen, 1578, Kap. „Landts art“, S. 39 recto)

Fugger attestiert all diesen „niederländischen“ Pferden durchaus positive Seiten, zu denen ihr umgänglicher Charakter sowie ihr gutes Gangwerk zählen. Er beschreibt sie als

gehorsam/ willig/ geliring [= gelehrig]/ from/ und seind darunder wol zufinden/ die ein treffenlichen guten lauff haben/ und wann man dise Rossz recht anrytte auff die Italianisch manier/ und nit also in der jugent verderbte/ wie der gemain gebrauch/ […] so mögen sy bey andern Rossen/ die man gleich auß fer[n]en Landen bringt/ wol bestehn“. (Fugger, Gestüt von [...] Kriegsrossen, 1578, Kap. „Landts art“, S. 39 verso)

Fugger geht auch kurz auf die Pferde der einzelnen „niederländischen“ Gebiete ein:

Die Friesen (welliche gewonlich rauch unnd zottet von schencklen) werden für starcke und nothaffte Pferdt gehalten/ und haben den preyß under disen Niderländischen Pferden/ aber für mein person halt ich die Bergischen für die besten/ so nit allein im Niderlandt sonder auch im gantzen Teutschlandt fallen/ wellichen die Westpahlischen vast zukommen/ dann sy haben ein zimliche grössin/ sein ringer von kopff/ halß und schencklen als die Friesen. (Fugger, Gestüt von [...] Kriegsrossen, 1578, Kap. „Landts art“, S. 39 verso)

Während der heutige Leser sich die Bedeutung der Begriffe rauch und zottet – also „rau“ und „zottelig“ – noch ganz gut selbst erschließen kann, sind die Ausdrücke nothafft sowie ring nicht mehr so einfach zu verstehen: nothaft bedeutet „bedrängt, dürftig“ oder „hinlänglich, genügend“; ring bedeutet „leicht, behende, schnell beweglich“ oder „klein“. (Grimm, Deutsches Wörterbuch, Nachdr. d. Erstausg., 13. Bd., 1984, Sp. 938 u. 14. Bd., 1984, Sp. 980 u. 982)

Der kurze Ausflug in die Welt der Wörterbücher macht Fuggers Ausführungen für heutige Leser verständlich: Er favorisiert die bergischen Pferde, auf dem zweiten Platz seiner persönlichen Hitliste stehen die westfälischen, dann folgen die friesischen, die zwar allgemein als die besten angesehen werden, für Fuggers Geschmack aber offenbar ein wenig zu schwer sind.

Die Textauszüge aus Fuggers Werk zeigen, wie verwirrend die historischen Namen der verschiedenen „Pferde-Arten“ sein können. Die bei ihm als niederländisch bezeichneten Pferde stammen nicht aus den heutigen Niederlanden, sondern aus einem sehr viel weiter gefassten Gebiet. Auch die bergischen Pferde haben ihren rühmlichen Auftritt in Fuggers Liste der „niderländische[n] Rossz“ wohl diesem umfassenden Begriff der Niederlande zu verdanken. Johann Heinrich Zedler beschreibt diesen Teil Europas in seinem unentbehrlichen Universal-Lexicon wie folgt:

Niederlande, Nieder-Deutschland, Nieder-Germanien, Lat. Belgium oder Germania Inferior […], ein gewisser Theil von Europa, ward vor Zeiten, als sich Gallien biß an den Rheinstrohm ersteckte, Gallia Belgica genannt, und begriff alles, was zwischen dem Rheine, der Maas und der Schelde, von der Nord-See biß an Elsaß, gelegen ist. Hernach als die Francken aus Deutschland nach Gallien zogen, und […] ein neues Königreich darinnen aufrichteten, und solches nach ihrem Namen Franckreich nenneten; so war dieses Land nicht mit darunter begriffen, sondern es war ein Land vor sich, und wurde auf Deutsch Niederland […] genennet. Den Ursprung dieser […] Benennung leiten einige daher, weil die Niederlande gegen die See etwas niedriger, als die andern Provintzien Deutschlandes liege[n], daß sonderlich die Holländischen Provintzien grosse Däme u. tieffe Canäle haben, damit das Land von der Wuth des Meeres nicht überschwemmet werde. (Zedler, Universal-Lexicon, 24. Bd., 1740, Sp. 737f.)

Johann Jacob von Wallhausen: Ritterliche Kampfkunst zu Pferde mit Schwert und Pistole, Kupferstich, 1616
Johann Jacob von Wallhausen: Ritterliche Kampfkunst zu Pferde mit Schwert und Pistole, Kupferstich, 1616

Ein ungenannter Stallmeister

Doch kehren wir von den Lexikographen zu den Hippologen zurück: Ein anonym bleibender Zeitgenosse Fuggers, der nur seinen Beruf als ehemaliger kaiserlicher Stallmeister preisgibt, legte im Jahr 1584 ein umfangreiches Werk über die Ritterliche Reutter Kunst vor.

Er befasst sich ebenfalls mit der Pferdezucht und geht auf die Einteilung der Pferde nach ihren Herkunftsregionen ein. Der ungenannte Autor liefert eine interessante Begründung dieser Klassifizierungsmethode. Seiner Ansicht nach ist es wichtig, zu wissen, woher ein Pferd stammt, da das Klima des Herkunftslandes sich auf dessen Charakter auswirkt:

OB gleichwol viel der meinung sein/ daß gleich gelte/ was Lands art ein Pferd sey/ und vermeinen alles nun an dem Reytten und abrichten gelegen sein/ so bin ich doch derselben meinung gar nit/ und sage/ daß viel am Land/ daher die Pferd kommen/ ob es warm/ kalt/ feucht oder drucken [=trocken]/ etc. sey/ gelegen ist/ Dann nach dem das Land temperiert/ kalt oder warme/ etc. ist dasselb Pferdt auch gemeiniglich also genaturt/ hitzig/ träg/ faul/ ringfertig oder fantastisch. ([Anonym], Reutter Kunst, Kap. „Von der Pferde Natur“, 1584, S. VIII recto)

Für das Verständnis dieses Textes ist wiederum ein Blick in die Wörterbücher hilfreich:

ringfertig bedeutet „ leicht beweglich, hurtig, […] wohlgemuth, heiter“. (Grimm, Deutsches Wörterbuch, Nachdr. d. Erstausg., 14. Bd., 1984, Sp. 1009)

Fantastisch ist jemand, der „thörichte Fantasien“ hat. (Adelung, Auszug aus dem grammatisch-kritischen Wörterbuche, 2. Teil, 1796, Sp. 39)

Fantast war die Bezeichnung für einen Schwärmer, einen Narren. (Grimm, Deutsches Wörterbuch, Nachdr. d. Erstausg., 3. Bd., 1984, Sp. 1319)

Der Verfasser der Ritterlichen Reutter Kunst gesteht allerdings zu, dass die Einteilung der Pferde nach ihren Herkunftsgebieten nicht ganz unproblematisch ist, da es kaum noch rein gezogene Pferde gebe:

Zu unserer zeit aber haben wir schier kein recht wissen mehr/ weß Lands arth ein Pferdt sey/ weil sie alle vast bastardiert/ und von einem Landt in das ander transportiert und geführt/ auch durch verenderung der Diener/ der Weyd [= Weide]/ und der guten wartung/ daß ein Gestied auff oder zu/ und das ander abgenommen hat. ([Anonym], Reutter Kunst, Kap. „Von der Pferde Natur“, 1584, S. VIII recto u. verso)

Diese Einsicht hält den Anonymus aber nicht davon ab, die zu seiner Zeit gängigen Pferde aufzuzählen – und wieder sind die Friesen mit dabei. Ob es sich um Ostfriesen, Westfriesen oder Oldenburger handelt, bleibt (ebenso wie bei Fugger) vollkommen offen:

Zu unser jetzigen zeiten aber haben wir im brauch/ Spanische/ Sardinische/ Friesische/ Flemmische/ Barbarische/ Türckische/ Neapolitanische/ Italianische/ in gemein Abruzische/ Römische unnd Mantuanische Pferdt zuhalten. ([Anonym], Reutter Kunst, Kap. „Von der Pferde Natur“, 1584, S. VIII verso)

Bei seiner Darstellung der friesländischen Pferde geht der ungenannte Autor kurz auf deren Körperbau ein. Er hebt die leichtfüßigen Gänge sowie das harmonische Exterieur hervor. Lediglich die Köpfe missfallen ihm:

Aus Frießlandt bringt man auch gute Pferd/ ziemlich leicht vom Fuß/ huy/ rundt/ und ob sie wol was weniges groß oder feißt vom Kopff/ so sind sie doch sonst durchauß vom gantzen Leib wol proportioniert. ([Anonym], Reutter Kunst, Kap. „Von der Pferde Natur“, 1584, S. VIII verso)

Das Adjektiv huy, auch hui geschrieben, ist erklärungsbedürftig: Es bedeutet „schnell überhin sein“. (Grimm, Deutsches Wörterbuch, Nachdr. d. Erstausg., 10. Bd., 1984, Sp. 1885)

Die weitere Beschreibung der friesischen Pferde ist sehr bemerkenswert, denn im Mittelpunkt steht der Charakter, also das Interieur. Dabei entwickelt der Verfasser der Reutter Kunst ein für seine Zeit erstaunliches Verständnis für die Gefühlswelt der Pferde. Er wirbt für einen behutsamen, einfühlsamen Umgang mit ihnen:

sie seyn nicht/ wie viel meinen/ boßhafftig/ sonder viel mehr forchtsam/ verzweiflet oder desperativ und hochfertig/ Derhalben sol man sie nicht zu hart mit den Sporen/ Ruthen oder Stimm straffen/ noch auch mit harten und scharpffen Bissen [= Gebissen] plagen/ sonder leicht zaumen/ ihnen schon thun und lieblich tractieren/ sie also mit langer Handt behertzthafft machen und versichern. ([Anonym], Reutter Kunst, Kap. „Von der Pferde Natur“, 1584, S. VIII verso)

Wieder sorgt ein Blick ins Wörterbuch für das richtige Textverständnis: hochfertig bedeutet „stolz, anmaßend“. (Grimm, Deutsches Wörterbuch, Nachdr. d. Erstausg., 10. Bd., 1984, Sp. 1614)

Wenn Geduld und Zeit in die Ausbildung eines solch stolzen und zugleich furchtsamen friesländischen Pferdes investiert werden, erhält man am Ende ein sehr ordentliches, tüchtiges Ross:

Dardurch werden sie dahin gebracht/ daß sie thun und lernen/ was der Reuter begert und haben wil/ dann sie seyn leicht und gutes gemüts und verstandts/ haben den Menschen lieb/ wann er ihnen guts thut/ seine sterck fürnemlich von Füssen/ wolgesetzt/ traben ringfertig/ lauffen gemeiniglich wol und stet/ Derhalben in den Krieg unnd zu einer Schlacht gantz taugentlich/ allein muß man biß sie zu recht gebracht und abgericht werden/ darzu ein grosse gedult haben/ und was zeit erfordert. ([Anonym], Reutter Kunst, Kap. „Von der Pferde Natur“, 1584, S. VIII verso)

Friesländische Pferde im 17. Jahrhundert

William Cavendish of Newcastle

William Cavendish, Duke of Newcastle, zählte zu den prominentesten Reitmeistern des 17. Jahrhunderts. 1658 legte er in französischer Sprache seine Méthode et invention nouvelle de dresser les chevaux vor.

Im 10. Kapitel dieses Werks macht Cavendish ausführliche „Anmerckungen über allerhand Pferde". (Cavendish, Neueste Lehr-Art, 1729, S. 62)

Dieses Kapitel ist für die Frage nach der Bedeutung historischer Definitionen von „Pferde-Arten“ sehr aufschlussreich, denn Cavendish unterscheidet nunmehr, anders als noch Fugger oder der anonyme Stallmeister des 16. Jahrhunderts, zwischen friesischen, holländischen und deutschen Pferden. Unter der Rubrik der deutschen Pferde finden Pferde aus Oldenburg und Westfriesland eigens Erwähnung.

Die rund 80 Jahre zuvor noch übliche Sammelbezeichnung friesländisches oder  friesisches Pferd wird ab der Mitte des 17. Jahrhunderts also offenbar ausdifferenziert. Eine klare Abgrenzung der „Pferde-Arten“ untereinander ist aber auch zu dieser Zeit noch nicht möglich, wie eine genauere Darstellung von Cavendishs Schrift zeigen wird.

Zunächst widmet sich der Duke of Newcastle ganz traditionell dem friesischen Pferd. Dieses hält er zwar für nicht besonders clever, aber das wirkte sich kaum negativ auf seine vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten aus. In einer 1729 erschienenen deutschen Übersetzung der Méthode heißt es:

DAs Frisische Pferd ist nicht so klug als das Englische/ alleine es kan kein Pferd seyn/ welches beßer auf der Reit-Schule/ in dem Redop, Terre à Terre, und in allen Airs, gehet/ noch auch welches in einem Duell zu Pferd beßer [z]u brauchen seye/ und im Krieg den ersten Angriff beßer aushalten wird/ als dießes. (Cavendish, Neueste Lehr-Art, 1729, S. 79f.)

Das friesische Pferd überzeugt, denn es ist pflegeleicht und robust:

Es ist kühn/ nimmt mit allerley Futter vorlieb/ und erdultet gar leichtlich Kält/ und Hitze. (Cavendish, Neueste Lehr-Art, 1729, S. 80)

Wolf Helmhardt von Hohberg: Korrekte Haltung des Reiters auf einem Pferd, Kupferstich, 1695
Wolf Helmhardt von Hohberg: Korrekte Haltung des Reiters auf einem Pferd, Kupferstich, 1695

Für kriegerische Zwecke gibt es nach Cavendishs Überzeugung kein besseres Pferd als das friesische. Ein kleines Manko hat es allerdings. Dieses Pferd brilliert zwar im Angriff auf eine gegnerische Kriegspartei, auf der Flucht laufen seine Reiter aber Gefahr, das Nachsehen zu haben:

Auch kann der Reuter auf keinem Pferd ein so gutes Ansehen eines Kriegs-Manns haben/ als auf einem solchen; Dann es ist gelind/ unerschrocken/ und eines versicherten Ganges. Ingleichen ist es tapffer/ und schicket sich zu allem/ ausgenommen zu der Flucht nicht/ weilen/ ob es schon eine kleine Weile geschwind genug lauffen kann/ nicht glaube/ daß es auszutauren vermag/ indem es nicht so vielem [sic] Athem hat als der Barber. (Cavendish, Neueste Lehr-Art, 1729, S. 80)

Wieder ist ein kurzer Blick ins Wörterbuch zum besseren Textverständnis notwendig: gelind als Nebenform zu lind bedeutet „sanft, leicht, in bezug auf eine bewegung“. (Grimm, Deutsches Wörterbuch, Nachdr. d. Erstausg., 12. Bd., 1984, Sp. 1028)

Das Friesenpferd ist also komfortabel zu sitzen, was im Schlachtgetümmel – und nicht nur dort – sicherlich ein großes Plus ist. Der Nachteil der mangelnden Kondition der friesischen Pferde könnte durch ihre ausgezeichnete Eignung als Gewichtsträger jedoch wieder ausgeglichen werden, wie Cavendish überlegt:

Gleichwol/ wann ein schwehrer und wolbewaffneter Reuter sich auf einen Barber setzte/ und ein eben so schwehres Gewicht auf einen Frießländer/ so würde beydes also gegeneinander gehalten/ die Stärcke des letztern/ selbige des erstern/ um so viel mehr übertreffen/ daß ich glaube/ der Frießländer lauffe eben so geschwind/ und lang/ als der Barber, indeme der Athem des Barbers ihme nichts hilft/ weilen er der nöthigen Stärcke ermanglet/ ein solches Gewicht zu tragen. (Cavendish, Neueste Lehr-Art, 1729, S. 80)

Im folgenden Abschnitt geht der Duke of Newcastle auf dänische und holländische Pferde ein. Die dänischen Pferde sind ebenfalls von hervorragender Qualität und zeigen sich in der Ausbildung offensichtlich kooperativer als die friesischen:

DIe Vortrefflichkeit des Dähnischen -/ ist von eben selbiger Beschaffenheit wie des Friesischen Pferdes/ und ist gemeiniglich geneigter die Unterweissung anzunehmen/ auch leichter. (Cavendish, Neueste Lehr-Art, 1729, S. 81)

Während die friesischen und dänischen Pferde von Cavendish sehr geschätzt werden, ist er mit den Zuständen und den Produkten der Pferdezucht in Holland ganz und gar nicht einverstanden. Er bemängelt die dortige Unsitte, so gut wie alle Hengste zu kastrieren, da dies zu einem Niedergang der Gestüte führe. Schlussendlich sind es nach Cavendishs Meinung das kaufmännische Effizienzdenken und der nackte Geiz, die hinter dieser Methode stecken. Beides kann er nur verachten:

Um mehrers Nutzens wegen verschneidet man dermalen in Holland alle Pferde/ damit sie zur Kutsche/ und Unterhaltung [=Erhalt] der Handelschaft/ dienen mögen; Sie schicken versichert alle Jahr mehr dann fünf tausend nacher Franckreich/ und anderer Oerter; Dergestalt/ daß man daselbsten schwehrlich ein gantzes Pferd antreffen wird/ so etwas tauget/ weilen sie ihre Stutten nur mit Fohlen bedecken laßen/ und hernach selbige erst verschneiden; Verderben also ihre Stuttereyen aus blosem Geitz. (Cavendish, Neueste Lehr-Art, 1729, S. 81f.)

Von der holländischen Pferdezucht hält Cavendish also nicht gerade viel. Doch für die Pferde, die aus den Ställen deutscher Fürsten kommen, bricht er gern eine Lanze:

DIejenige/ welche sagen/ daß die Teutschen Pferde eine Gleichheit mit denen Flanderischen haben/ betrügen sich sehr/ woferne sie anderst nicht die Land/ und Karren-Gäule meinen; Ich kann sie aber unterrichten/ daß der mehreste Theil derer Teutschen Fürsten/ sehr vortreffliche Arten von Pferden in ihren Stuttereyen haben. (Cavendish, Neueste Lehr-Art, 1729, S. 82)

Die zeitgenössischen Deckhengste in den Gestüten und Marställen der deutschen Landesherren sind von internationaler Herkunft, nämlich „entweder Napolitaner, Spanier/ Türcken/ […] oder Barberen“. (Cavendish, Neueste Lehr-Art, 1729, S. 82)

Zwei deutsche Regenten, die sich der Pferdezucht verschrieben haben, werden von Cavendish eigens erwähnt: Zum einen übersandte ihm „der Fürst von West-Frißland […] ein vortrefflich schönes Pferd“. (Cavendish, Neueste Lehr-Art, 1729, S. 84)

Zum anderen hat Graf Anton Günther von Oldenburg den Duke of Newcastle beschenkt. Dessen Loblied auf die oldenburgischen Pferde klingt auf den ersten Blick sehr überzeugend:

Ich hab auch zwey Pferde von einer vortrefflichen Art gehabt/ welche der Graf von Oldenburg hatte/ und so schön waren/ dergleichen ich noch niemalen gesehen/ wovon das eine sehr große Hoffnung gab. (Cavendish, Neueste Lehr-Art, 1729, S. 83)

Allerdings schweigt Cavendish sich diplomatisch darüber aus, ob die in das Pferd gesetzten Hoffnungen sich erfüllten oder ob die Qualität des Pferdes sich allein in dessen Schönheit erschöpfte. Offenbar hatte Anton Günther dem Beschenkten eine Art Umtauschrecht eingeräumt. Ob Cavendish von diesem Angebot Gebrauch gemacht hat, bleibt unerwähnt. Doch die Vermutung liegt nahe, dass dieses sich von allein verbot, da ein Umtausch des gräflichen Geschenks wohl ein echter Affront gewesen wäre. So geht Cavendish nicht weiter auf die Pferde ein, sondern nutzt stattdessen die Gelegenheit, die Großzügigkeit Anton Günthers zu rühmen:

Dieser Fürst war von der Güte/ mir selbiges zu verehren/ dabey sich vernehmen zu laßen/ daß/ wann mir solche nicht gefielen/ mir deren andere zu schicken; Welches recht fürstlich/ und großmüthig gehandelt war. (Cavendish, Neueste Lehr-Art, 1729, S. 83)

Johann Christoph Pinter von der Au

30 Jahre nach der Publikation der Méthode des Duke of Newcastle legte Johann  Christoph Pinter von der Au seinen Neuen/ vollkommenen/ verbesserten und ergäntzten Pferd-Schatz vor.

Auch in diesem voluminösen Werk aus dem Jahr 1688 hat die beginnende Differenzierung der Pferde, die zuvor unter dem Begriff friesisches Pferd zusammengefasst worden waren, ihre Spuren hinterlassen.

Im Hinblick auf die „Nieder-Teutsche[n] Pferde“ unterscheidet Pinter von der Au nunmehr dezidiert zwischen dem friesischen und dem oldenburgischen Pferd. (Pinter, Pferd-Schatz, 1688, S. 86)

Dabei hebt er hervor, dass das oldenburgische Pferd erst in der Gegenwart – also im 17. Jahrhundert – als eigenständige „Pferde-Art“ wahrgenommen wird und alle Blicke auf sich zieht:

Ob die Oldenburgischen/ (welche nur in diesem Seculo [= Jahrhundert]/ in Teutsch- und andern umligenden Ländern so sehr berühmet und beliebet worden/) mehr den Westphalischen als Friesischen nacharten/ weil sie nach der ersten Natur etwas härter/ nach der Friesen aber grössers Gewächses und stärcker als von beyderley vermischet anzusehen seyn/ muß nach jedes Befinden geurtheilet werden. (Pinter, Pferd-Schatz, 1688, S. 85f.)

Pinter von der Au geht nicht sonderlich ausführlich auf die oldenburgischen Pferde ein. Bemerkenswert ist ihm aber deren Stärke, welche es ihnen trotz ihres Kalibers erlaubt, die Lektionen der Hohen Schule über der Erde (die sog. Schulsprünge) auszuführen. Er beschreibt sie als

ansehnliche/ starcke/ arbeitsame Pferde/ welche bey ihrem schweren Leib/ einen so weit- und hohen Sprung/ un derselben zimlich viel/ mit so gutem Willen und Versicherung immer ablegen/ als ihnen einiges anders Teutsches Roß nicht so gar leichtlich nachthun kan. (Pinter, Pferd-Schatz, 1688, S. 86)

"Landes-Arten" und Pferderassen

Die Auflösung einer historischen Begriffsverwirrung

Aus der Lektüre einschlägiger hippologischer Quellen des 16. und 17. Jahrhunderts ergibt sich, dass die historischen Bezeichnungen der „Landes-Arten“ sich nicht eins zu eins auf die Namen heutiger Pferderassen übertragen lassen. Eine Gleichsetzung der historischen mit den gegenwärtigen Rassebezeichnungen kann Verwirrung stiften und zu vorschnellen Schlüssen verleiten.

Selbst angesehene Fachmänner wie Müller und Schwarznecker saßen der historischen Begriffsverwirrung um das friesländische Pferd auf, indem sie Marcus Fugger als Kronzeugen für die Ausnahmestellung heranzogen, die das ostfriesische Pferd schon im 16. Jahrhundert besessen habe. (Müller/Schwarznecker, Pferdezucht, 2. Bd.: Racen, 1879, S. 92)

In neuester Zeit schreibt Gerd-D. Gauger diesen Trugschluss fort (Gauger, Das ostfriesische Pferd, 2010, S. 16).

Im Jahr 1578 spricht Fugger indes nicht vom ostfriesischen, sondern – seiner Zeit gemäß – vom friesländischen oder friesischen Pferd. Ebenso verfährt auch sein ungenannter Zeitgenosse, der 1584 ein Werk über die Ritterliche Reutter Kunst veröffentlichte. Friesländisches Pferd war der generalisierende Sammelbegriff für Pferde, die aus den Küstenregionen des „friesischen Meeres“ (mare frisicum) - also von der Nordseeküste - stammten.

Anhand des 1658 veröffentlichten Werks von William Cavendish wird deutlich, dass die übliche Einteilung der „Pferde-Arten“ auch im 17. Jahrhundert noch nicht mit dem modernen Begriff der Pferderassen gleichgesetzt werden kann. Der Ausdruck friesisches Pferd dient nach wie vor als übergeordnete Sammelbezeichnung.

Zwar differenziert Cavendish bereits zwischen holländischen und deutschen Pferden sowie, innerhalb der Rubrik der deutschen Pferde, zwischen den oldenburgischen und den westfriesischen Pferden. Bezeichnend ist aber, dass er in den betreffenden Abschnitten seiner Schrift nicht im eigentlichen Sinne auf die Pferde, auf ihr Exterieur, ihr Interieur oder ihre Eignung für verschiedene Sparten der Reiterei eingeht. Eine solche Detailbeschreibung bleibt dem friesischen Pferd vorbehalten. Unter der Rubrik der holländischen Pferde geht es um den dortigen Zustand der Pferdezucht. Die deutschen Pferde werden vor allem Hinblick auf ihre Herkunft aus den Ställen deutscher Regenten behandelt. Von rassetypischen Merkmalen der Pferde aus Holland, aus Deutschland, aus Oldenburg oder Westfriesland spricht der Duke of Newcastle hingegen nicht.

Ähnliches gilt auch für den Pferd-Schatz aus dem Jahr 1688. Pinter von der Au unterscheidet allerdings schon zwischen dem friesischen und dem oldenburgischen Pferd. Letzteres erfreute sich nach seiner Auskunft bei den Zeitgenossen großer Beliebtheit. Dies lässt den Schluss zu, dass nicht nur Graf Anton Günthers Leidenschaft für die Pferdezucht, sondern auch seine Marketingstrategie der großzügigen Geschenke Früchte getragen hatte. Die Pferde aus Oldenburg hatten sich als eigenständige „Pferde-Art“ etabliert.

Es bleibt festzuhalten, dass das als friesländisch oder friesisch bezeichnete Pferd der gemeinsame Vorläufer sowohl des ostfriesischen als auch des alt-oldenburger Pferdes ist. Im 16. und 17. Jahrhundert differenzierte man noch nicht im heutigen Sinne zwischen diesen beiden „Landes-Arten“, deren Wege sich in den nachfolgenden Jahrhunderten trennten. Heute jedoch befinden sie sich wieder unter dem gemeinsamen Dach des Zuchtverbandes für das Ostfriesische und Alt-Oldenburger Pferd e. V.

© Kirsten Erwentraut


Bildnachweise

 

Wolf Helmhardt von Hohberg: Pferde auf der Weide, Kupferstich 1695, Quelle: Deutsche Fotothek/Wikimedia Commons, Lizenz: Gemeinfrei/Public Domain

 

Besson, Jacques & Béroalde de Verville, François & Paschal, Julius: Kutsche, Kupferstich 1582, Quelle: Deutsche Fotothek/Wikimedia Commons, Lizenz: Gemeinfrei/Public Domain

 

Johann Jacob von Wallhausen: Ritterliche Kampfkunst zu Pferde mit Schwert und Pistole, Kupferstich 1616, Quelle: Deutsche Fotothek/Wikimedia Commons; Lizenz: Gemeinfrei/Public Domain

 

Wolf Helmhardt von Hohberg: Korrekte Haltung des Reiters auf einem Pferd, Kupferstich 1695, Quelle: Deutsche Fotothek/Wikimedia Commons; Lizenz: Gemeinfrei/Public domain

Quellenverzeichnis

 

[Anonym]: Ritterliche Reutter Kunst Darinnen deutlich begriffen wie ma zuvorderst die Ritterliche/ und adeliche Ubung der Reutterey/ […] gebrauchen […] möge […] Dergleichen ein uberausz nützlicher und eigentlicher Underricht der Marstallerey/ und Roßartzeney […]. Allen Rittermessigen und Adelichen Personen/ auch andern/ so mit Pferden und der Reutterey umbgehen […] an tag geben […]. Frankfurt a. M: [o. V.] 1584

 

Cavendish, William, Duke of Newcastle: Die neueste Lehr-Art und besondere Erfindung Die Pferde zu dressiren/ oder abzurichten und zu arbeiten, Und zwar nach der Natur, welche durch subtile Kunst-Griffe zur Vollkommenheit gebracht wird […]. Nürnberg: Paul Lochner 1729

 

Fugger, Marcus: Wie und wa man ein Gestüt von gutten edlen Kriegßrossen auffrichten/ underhalten/ die jungen von einem jar zu dem anderen erziehen soll/ biß sy einem Bereytter zum abrichten zu undergeben/ unnd so sy abgericht/ langwirig in guttem gesundt zu erhalten: Allen liebhabern der Reütterey zu ehren und gefallen gestelt. [Augsburg]: [o. V.] 1578

 

Gauger, Gerd-D.: Das ostfriesische Pferd. Aurich-Tannenhausen: Selbstverlag 2010

 

Müller, C. F./ Schwarznecker, G.: Die Pferdezucht nach ihrem jetzigen rationellen Standpunkt. Zweiter Band. Racen, Züchtung und Haltung. Berlin: Wiegandt, Hempel & Parey 1879

 

Pinter von der Au, Joh[ann] Christoph: Neuer/ vollkommener/ verbesserter/ und ergäntzter Pferd-Schatz/ In einer ausführlichen/ leicht verständ- und begreifflichen/ aus reiffer Durchforschung der Natur und untrüglicher Erfahrung geschöpffter Wissenschafft/ Und auf diese fest-gegründeter Kunst-Übung vorgestellet […]. Frankfurt a. M.: Oehrling 1688

 

Wiarda, T. D.: Friesen und Friesland. In: Ersch, J. S./ Gruber, J. G. (Hrsg.): Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste in alphabetischer Folge von genannten Schriftstellern bearbeitet. Mit Kupfern und Charten. Erste Section. Hrsg. v. J. G. Gruber. 50. Teil. Leipzig: Brockhaus 1849, S. 189f.

 

Wiarda, Tileman Dothias: Ostfriesische Geschichte. Zweiter Band von 1441 bis 1540. Aurich: August Friedrich Winter 1792

 

Winkelmann, Johann Just: Oldenburgische Friedens- und der benachbarten Oerter Kriegs-Handlungen. […] Aus glaubwürdigen/ mehrentheils Original-Archivalischen Acten/ Documenten/ gewechselten Schriften/ auch eigner Erfahrung getreulich zusammen getragen […]. Oldenburg: Zimmer 1671

 

Verzeichnis der Lexika und Wörterbücher

 

Adelung, Johann Christoph: Auszug aus dem grammatisch-kritischen Wörterbuche der Hochdeutschen Mundart. Zweiter Teil. Leipzig: Breitkopf und Härtel 1796

 

Grimm, Jacob und Wilhelm: Deutsches Wörterbuch. 33 Bände. Fotomechan. Nachdr. d. Erstausg. München: dtv 1984

 

Zedler, Johann Heinrich: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschaften und Künste, welche bißhero durch menschlichen Verstand und Witz erfunden und verbessert worden. 24. Band. Leipzig und Halle: Johann Heinrich Zedler 1740