Ein Erfahrungsbericht
Wer kennt ihn nicht, den typischen Geruch von Pferdeställen? Im günstigsten Fall duftet es nach gutem Heu und Stroh. Doch das ist leider die Ausnahme: Meistens liegt eine deutliche Ammoniaknote in der Luft, oder – was noch schlimmer ist – aus der Einstreu steigt gar der an faule Eier erinnernde Geruch von Schwefelwasserstoff auf. Ein solches Stallklima ist höchst ungesund und schädigt nicht nur die empfindlichen Atmungsorgane des Pferdes massiv.
Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat im Jahr 2009 die Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten herausgegeben. Diese Leitlinien treffen hinsichtlich der klimatischen Anforderungen an einen Pferdestall eine klare Aussage:
Ammoniak (NH3), der hinsichtlich Atemwegserkrankungen und Strahlfäule von Bedeutung ist, ist das wichtigste Schadgas im Pferdestall. Es entsteht durch die mikrobielle Zersetzung von Kot und Harn. […] Durch entsprechende Einstreupflege und ausreichenden Luftaustausch sind erhöhte Konzentrationen zu verhindern. Schwefelwasserstoff (H2S) kommt im Pferdestall normalerweise nicht vor. Werden Spuren […] nachgewiesen, ist dies ein Hinweis auf extrem unhygienische Zustände. (Leitlinien, S. 14)
Es muss also im Interesse eines jeden Pferdehalters liegen, für möglichst gute Luft in der Umgebung seines Pferdes zu sorgen und die Schad- und Fäulnisgaskonzentration gering zu halten.
Um dieses Ziel zu erreichen, arbeite ich seit mehr als zwei Jahren mit effektiven Mikroorganismen: Die Pferde auf dem Carlshof Jade stehen und liegen auf einer Art bioaktiven Matratze – und sie fühlen sich dabei offensichtlich sehr wohl.
Effektive Mikroorgnismen - Was ist das?
Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Wirkung von effektiven Mikroorganismen ist wissenschaftlich nicht erwiesen, und der sog. „EM-Technologie“ wohnt immer ein Hauch von Esoterik inne. Anfangs war ich auch mehr als skeptisch, aber Versuch macht ja bekanntlich klug!
Die sog. „EM-Technologie“ stammt aus dem Kontext des japanischen Kyusei-Naturlandbaus. Diese landwirtschaftliche Methode hat es sich zum Ziel gesetzt, Nahrungsmittel ohne chemische resp. giftige Stoffe zu erzeugen. Als Vater der Technologie gilt Professor Teruo Higa, dessen Theorie besagt, dass günstige mikrobiologische Bedingungen sowohl die Bodenqualität als auch das Pflanzenwachstum positiv beeinflussen. Im Mittelpunkt steht immer der Gedanke, „schlechte“ Mikroorganismen – z. B. Fäulnisbakterien – mittels „guter“ Mikroorganismen zu verdrängen, um so ein „positives“ Milieu zu schaffen.
Die gängige Abkürzung für „effektive Mikroorganismen“ lautet „EM“, wobei es sich zugleich um ein geschütztes Markenzeichen handelt. EM ist seit ca. 1995 in Europa bekannt und kommt inzwischen in den unterschiedlichsten Bereichen zum Einsatz. Die Angebotspalette reicht von Produkten für Haushalt und Garten über Körperpflege und Kosmetik bis hin zur Fütterung und Pflege von Tieren.
Der Fokus dieses Artikels liegt jedoch ausschließlich auf der Funktion von EM als biologisches Stallreinigungsmittel.
Ich verwende eine fertige Stallreinigerlösung, die in größeren Gebinden (10-Liter-Kanister) erhältlich ist. Diese Lösung ist von brauner Farbe und hat einen leicht süßlichen Geruch, der ein wenig an Malzbier erinnert. Der pH-Wert liegt bei 3,5. Laut Deklaration enthält der Stallreiniger die Inhaltsstoffe Wasser, Mikroorganismen, Essig und Alkohol. Genauere Angaben hinsichtlich der Mikroorganismen werden auf diesem Produkt nicht gemacht, aber es kann davon ausgegangen werden, dass es sich um eine Mischung aus Milchsäure- und Photosynthesebakterien sowie Hefen und fermentaktiven Pilzen handelt.
Die Einstreu
Der Klassiker unter den Einstreumaterialien ist natürlich das Langstroh, doch es gibt eine Fülle von Alternativen: Strohhäcksel, Leinstroh, Holzspäne oder -pellets, Hanf, Torf, Waldboden usw. – der Pferdehalter hat die Qual der Wahl! Seit einiger Zeit werden auch Hobelspäne angeboten, die bereits mit effektiven Mikroorganismen angereichert sind.
Welches Material auch immer man verwendet – man sollte stets die Anforderungen an eine pferdegerechte Einstreu im Auge behalten. Auch diese sind in den Leitlinien klar definiert:
Der Liegebereich muss trocken und verformbar sein. In Ställen sollten alle Liegeflächen eingestreut sein. Geeignet sind Einstreumaterialien, die eine gute Nässebindung zeigen. Dabei ist
darauf zu achten, dass keine erhöhten Schadgaskonzentrationen (z.B. Ammoniak […]) entstehen. Je intensiver der eingestreute Bereich von den Pferden benutzt wird, desto häufiger müssen die
anfallenden Exkremente und nassen Einstreubereiche entfernt und durch trockene Einstreu ergänzt werden, in der Regel einmal täglich.
Bei der Ausführung des Stallbodens ist darauf zu achten, dass Pferde bevorzugt auf weichen, saugfähigen Böden Harn absetzen.
Die verwendeten Einstreumaterialien […] müssen trocken und gesundheitlich unbedenklich sein […]. (Leitlinien, S. 12)
Abgesehen von den Bedingungen, die das Pferd an seine Einstreu stellt, hat der Pferdehalter natürlich auch berechtigte Interessen: Das Ausmisten soll nicht zu viel Arbeit machen – und die Einstreu muss bezahlbar sein. Neben den diversen Einstreumaterialien schlägt hier auch das Einstreuverfahren zu Buche: Im Hinblick auf die Einstreumethoden unterscheidet man im Wesentlichen zwischen Wechselstreu und Matratzenstreu. Beide Verfahren haben ihre Vor- und Nachteile.
Eigentlich war ich immer erklärte Anhängerin der Wechselstreu. Dabei handelt es sich um den täglichen Wechsel der kompletten Einstreu oder zumindest dem Austausch der mit Kot und Urin verschmutzten Stellen gegen neue Einstreu. Diese Methode ist hygienisch, aber leider auch sehr arbeitsintensiv und kostspielig. Abgesehen davon neigt der Misthaufen bei dieser Vorgehensweise dazu, bald alle Grenzen zu sprengen.
Bei der üblichen Matratzenstreu wird nicht täglich ausgemistet, sondern die neue Einstreu wird (hoffentlich in großer Menge) auf dem vorhandenen Einstreu-Kot-Urin-Gemisch verteilt. Dieses Verfahren ist zwar vergleichsweise kostengünstig und weniger arbeitsintensiv, bringt aber leider auch einige Nachteile mit sich: Eine traditionelle Matratzenstreu kann ausgesprochen unhygienisch sein (Parasiten, Schadgase, Fäulnisbakterien, Schimmel). Außerdem kommt für jede übliche Matratze irgendwann der „Tag X“, an welchem sie komplett entfernt werden muss – und dann heißt es: Wohl dem, der die richtigen Maschinen oder hilfsbereite Stallkollegen hat!
Halten wir also die Kriterien einer gute Einstreu fest: Einerseits muss sie pferdegerecht und hygienisch sein, andererseits sollen der Arbeitsaufwand und die Kosten in einem möglichst vertretbaren Rahmen bleiben. Vor diesem Hintergrund halte ich die bioaktive Matratze mit effektiven Mikroorganismen für einen guten und praktikablen Kompromiss zwischen Wechsel- und Matratzenstreu.
Einstreu mit EM - die Theorie
Laut Hersteller des von mir verwendeten EM-Stallreinigers kann sein Produkt Uringeruch beseitigen, das Stallklima verbessern, Staub und Ammoniak binden, Fäulniserreger zurückdrängen sowie die Fliegenbelastung im Stall senken. Das hört sich doch gut an – also auf zum Praxistest!
Einstreu mit EM - Die Praxis
Um eine bioaktive Matratzenstreu anzulegen, braucht man nur vier Dinge: EM-Stallreiniger, Wasser, ein Sprühgerät – und Einstreu natürlich. Auf dem Carlshof Jade verwende ich Hobelspäne und Strohmehl als Einstreumaterial.
Tag 0
Zum Start des Praxistestes habe ich die vorhandene Einstreu komplett entfernt und danach EM-Stallreiniger unverdünnt auf Boden und Wände der Boxen gesprüht. Dann habe ich neu eingestreut (2 bis 3 Ballen pro Box), die Einstreu geglättet und das Ganze nochmals mit unverdünntem EM-Stallreiniger eingesprüht.
Tage 1 bis 3
An den folgenden drei Tagen habe ich lediglich die Pferdeäpfel entfernt, die feuchte Einstreu aber in den Boxen belassen, weil die Mikroorganismen Feuchtigkeit zum Überleben brauchen. Nach dem Glätten der Einstreu habe ich diese täglich mit unverdünntem EM-Stallreiniger besprüht.
Tage 4 bis 7
An den nächsten Tagen habe ich wieder nur die Pferdeäpfel entfernt. Die feuchte Einstreu habe ich in den Boxen belassen und kräftig mit der noch in den Boxen vorhandenen trockenen Einstreu vermischt. Bei Bedarf habe ich einen halben Ballen Hobelspäne pro Box nachgestreut. Die geglättete Einstreu habe ich nunmehr mit verdünntem EM-Stallreiniger im Mischungsverhältnis 1:10 (1 Teil EM, 10 Teile Wasser) eingesprüht.
Ab Tag 7 bis heute
Natürlich habe ich auch am 7. sowie an allen folgenden Tagen die Pferdeäpfel aus den Boxen gesammelt. Inzwischen war in den meisten Boxen schon eine relativ feste, immer noch erstaunlich trockene, ca. 12 bis 15 cm dicke und vor allem: eine nicht stinkende Matratze entstanden.
Bei unseren Pferden von der Fraktion „Boxenschwein & Wühler“ hat es allerdings länger gedauert, bis sich eine solche Matratze gebildet hatte. Die Spitzenreiterin ist Jans Stute Sissi – in ihrer Box hat es glatte drei Wochen gedauert.
Einstreu mit EM - Das Fazit
Der „Tag 7“ meines Experimentes mit EM-Stallreiniger liegt nun schon mehr als zwei Jahre zurück – Zeit für ein Fazit!
Hinsichtlich des Einstreumanagementes hat die Verwendung von EM nach meiner Erfahrung folgende Nachteile:
Ein Nachteil ist sicherlich, dass die Umstellung von einer üblichen Matratzenstreu auf eine EM-Matratzenstreu anfangs mehr Arbeit – also mehr Zeit und mehr Geld – kostet.
Im Vergleich zur Wechselstreu mag es ein Nachteil sein, dass die „Basis-Matratze“ mit den von mir verwendeten Einstreumaterialien eine dunkelbraune Farbe annimmt, so trocken und geruchsneutral sie auch immer sein mag. Die Pferde stört das sicherlich überhaupt nicht, aber vielleicht kann sich mancher Pferdebesitzer nicht so schnell von der schönen Vorstellung eines täglich frisch gemachten, strahlend hellen Bettes für seinen Liebling verabschieden. Ich gebe gern zu, dass ich mich auch erst umgewöhnen musste.
Zu den Nachteilen gehört auch, dass die Umstellung nicht immer beim ersten Versuch klappt. Insbesondere bei den „Boxenschweinen“ braucht man einen längeren Atem.
Doch nun zu den Vorteilen, die meiner Meinung nach überwiegen und die mich überzeugt haben:
Die bioaktive Matratze bietet den Pferden eine komfortable und saubere Liegefläche, welche weder nach Ammoniak noch nach Schwefelwasserstoff stinkt. Die Herstellerangaben des EM-Stallreinigers in punkto Stallklima treffen also zu. Auch die Fliegenbelastung im Stall erscheint mir geringer zu sein.
EM trägt in der Tat dazu bei, dass Stallklima zu verbessern, die Schadgasbelastung zu senken und die Pferde gesund zu erhalten.
Im Vergleich zur vorher praktizierten Wechselstreu spare ich mit der bioaktiven EM-Matratze mittelfristig Arbeit, Zeit und Geld. Die Kosten für Einstreu sind auf meinem Betrieb gesunken, seit ich die effektiven Mikroorganismen verwende.
Hinsichtlich des Einstreumanagements haben die effektiven Mikroorganismen den Praxistest auf dem Carlshof Jade bestanden. Ein Versuch mit den „kleinen Helfern im Stall“ lohnt sich also!
Weitere Verwendungsmöglichkeiten von EM im Pferdestall
Laut den Angaben des Herstellers soll der EM-Stallreiniger auch hartnäckige Verschmutzungen an Stallwänden und Stalleinrichtungen entfernen sowie die Kompostierung des Mistes beschleunigen können.
Beide Verwendungsmöglichkeiten habe ich ebenfalls in der Praxis getestet:
Sowohl die Boxenwände als auch die Tröge habe ich mit EM-Stallreiniger eingesprüht. Hier muss ich sagen, dass der EM-Reiniger allein es nicht schafft, Verschmutzungen zu entfernen. Nach wie vor sind zusätzlich Wasser und Wurzelbürste oder ein Hochdruckreiniger gefragt (vor dem Einsatz des Hochdruckreinigers muss die Matratze in den Boxen natürlich komplett entfernt und danach neu angelegt werden).
Im Hinblick auf die schnellere Verrottung des Mistes allerdings hält der EM-Stallreiniger, was er verspricht: Der Mist verwandelt sich deutlich schneller in Kompost.
© Kirsten Erwentraut
Quellen & Lektüretipps
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten, 2009